BGH: Aufklärungspflicht über Schließungsrisiko bei Offenen Immobilienfonds

Der Bundesgerichtshof eröffnet Anlegern Offener Immobilienfonds mit seinen Urteilen vom 29.04.2014, XI ZR 477/12 sowie XI ZR 130/13 Möglichkeiten Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Der XI. Zivilsenat führte in seiner Urteilsbegründung unmissverständlich aus: „Die Möglichkeit, die Rücknahme der Anteile auszusetzen, stellt ein während der gesamten Investitionsphase bestehendes Liquiditätsrisiko dar, über das der Anleger informiert sein muss, bevor er seine Entscheidung trifft.“ Offene Immobilienfonds werden Kleinanlegern von Banken nämlich häufig mit dem Hinweis verkauft, dass es möglich seidas investierte Kapital jederzeit zu liquidieren, dass heißt zu Geld machen zu können. Das ist aber während der Schließungsphase eines „geschlossenen“ Offenen Immobilienfonds über die Fondsgesellschaft ausgeschlossen. Ein Verkauf über die Börse ist regelmäßig nur mit erheblichen Abschlägen oder ebenfalls gar nicht möglich. Daher muss das Schließungs- beziehungsweise das Aussetzungsrisiko dem Anleger ungefragt offengelegt werden.

Immobilienfonds

Immobilienfonds gelten hinlänglich als sichere Kapitalanlage, denn schließlich steht im „Hintergrund“ zur Absicherung die Immobilie als Sachwert. MaBaustelle03 spricht umgangssprachlich auch vom sogenannten „Betongold“. Grundsätzlich ist die Idee eines Immobilienfonds, Kapital unterschiedlicher Herkunft zu bündeln und in Immobilien zu investieren. Auf diese Art und Weise ist es auf der einen Seite für den Anleger möglich, schon mit kleineren Beträgen an der möglichen Rendite einer Immobilie zu partizipieren. Hierbei dürfte es sich zumeist auch um das Hauptinteresse der „Kleinanleger“ handeln. Auf der anderen Seite ist es für die jeweiligen Initiatoren beziehungsweise Kapitalanlagegesellschaften möglich je nach Investitionsobjekt sehr hohe Investitionskosten durch die Bündelung von vielen Einzelkapitalbeiträgen überhaupt zu stemmen. Gängig sind drei Arten von Immobilienfonds: Der „Offene Immobilienfonds“, der „Geschlossene Immobilienfonds“ und die sogenannten „REIT“-Fonds (Real-Estate-Investment-Trust). Bei Letztgenannten handelt es sich um börsennotierte Kapitalgesellschaften, die besonderen Regelungen unterliegen. Hierauf werden wir an dieser Stelle nicht näher eingehen.

„Geschlossener Immobilienfonds“ versus „Offener Immobilienfonds“

Die vorliegende Rechtsprechung betrifft nur die sogenannten „Offenen Immobilienfonds“. Bei diesen handelt es sich grundsätzlich um ein rechtlich identifizierbares Sondervermögen, welches vorwiegend oder ausschließlich aus Immobilien besteht. Denkbar ist also eine Investition in Mietwohngrundstücke, Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, Erbbaurechte sowie Wohnungseigentum. Für jeden dieser Bereiche gelten Sondervorschriften. Der wesentliche Unterschied zum „Geschlossenen Immobilienfonds“ ist die investmentrechtliche Ausprägung. Geschlossene Fonds unterfallen im Unterschied zu einem Offenen Immobilienfonds etwa nicht dem Investmentgesetz a.F. (InvG) beziehungsweise nunmehr dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB). Dies ist auch der Grund, weshalb bei Geschlossenen Fonds von Produkten des grauen = unregulierten Kapitalmarktes gesprochen wird. Für den Anleger ist Folgendes besonders interessant: Ein Offener Fonds kann laufend neue Anteile ausgeben und auch zurücknehmen. Kauf und Verkauf können direkt über die Fondsgesellschaften oder sogar über die jeweiligen Börsen erfolgen. Ein Fungibilitätsrisiko besteht somit kaum. Damit ist auch eine Investition von Geldern mit kurz-, mittel und langfristigem Anlagehorizont möglich. Bei „Geschlossenen Fonds“ hingegen bindet der Anleger sich an die teilweise extrem langen Laufzeiten (bis zu 20 Jahre und mehr). Im Zuge einer Anlageentscheidung ist es für die meisten Anleger aber von besonderer Bedeutung, ob sie bei Bedarf über das investierte Kapital verfügen können, die Anteile also dementsprechend handelbar sind. In Verbindung des Umstandes der guten Fungibilität mit dem Vorhandensein einer ausgeprägten rechtlichen Regulierung, ist es also gut nachvollziehbar, dass Offene Immobilienfonds als recht sicher und attraktiv bezeichnet wurden und werden. Vielfach wurde sogar von „mündelsicheren“ Kapitalanlagen gesprochen. Tatsächlich gab es bis in die Jahre 2005 / 2006 hinein kaum Probleme mit Offenen Immobilienfonds.

Hinsichtlich der jederzeitigen Handelbarkeit ist aber auch bei Offenen Fonds eine Situation denkbar, in welcher der Anleger sein Geld praktisch nicht unverzüglich liquidieren kann. Dies ist nämlich immer dann der Fall, wenn der Kapitalanlagegesellschaft bei nicht ausreichender Liquidität, die Möglichkeit eingeräumt wird, die Anteilsrücknahme auszusetzen. Die gesetzliche Normierung hierzu findet sich in § 81 InvG a.F. beziehungsweise § 257 KAGB. Der Anleger kann somit seinen Anteil nicht mehr zum gesetzlichen bestimmten Rücknahmepreis über die Fondsgesellschaft zurückgeben. Man spricht hier von der „Schließung“ beziehungsweise „Aussetzung“ des Fondshandels. Ein Handel an der Börse ist dadurch indessen theoretisch nicht ausgeschlossen. Jedoch ist bei einer Aussetzung der Rücknahme von Anteilen durch eine Fondsgesellschaft der Verkauf über die Börse, sofern überhaupt ein Käufer gefunden wird, meist nur mit einem erheblichen Abschlag möglich. Tatsächlich wird vielmals auch hier ein Verkauf scheitern. Damit ist also etwa die Aussage eines Bankberaters im Rahmen eines Anlageberatungsgespräches, man könne sein Geld jederzeit aus dem Fonds abziehen oder die Anteile seien jederzeit sofort handelbar, schlichtweg falsch.

Ab den Jahren 2005 / 2006 gab es jedoch immer häufiger schlechte Meldungen: Liquiditätsprobleme einzelner Fonds führten immer häufiger zur geschilderten Aussetzung der Anteilsrücknahme. Erschwerend trug die im Sommer 2007 ausgebrochene Immobilienkrise der USA, auch Subprime-Krise genannt, nicht zur Verbesserung der Lage von Immobilienfonds bei. Viele Anleger konnten und können aufgrund genau dieser Problematik nicht mehr auf ihr Geld zugreifen, obwohl die Anlageentscheidung im festen Glauben an die jederzeitige Handelbarkeit getätigt wurde.

Die Urteile des Bundesgerichtshofes vom 29.04.2014

Und genau an diesem Punkt greift der Bundesgerichthof zu Recht ein und stellt fest, dass es sich bei dem Aussetzungsrisiko um ein erhebliches Risiko handelt, dass ungefragt gegenüber dem Anleger vor Erwerb des Investments offengelegt werden muss. Damit setzt das höchste deutsche Zivilgericht seine anlegerfreundliche Rechtsprechung im Sinne des Verbraucherschutzes fort. Rechtlich neu, war die Sichtweise des Bundesgerichthofes indessen nicht. Denn damit bestätigte der Bundesgerichtshof die verbraucherfreundliche Rechtsprechung einzelner Instanzengerichte. Allerdings wurde diese Rechtsfrage von den Gerichten bislang uneinheitlich beurteilt, sodass überwiegend keine Rechtssicherheit herrschte. Die Unklarheiten dürften nunmehr der Vergangenheit angehören. Sehr umstritten war in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob auf dieses Risiko nur dann hingewiesen werden muss, wenn die Aussetzung vorhersehbar war. Diese Frage beantwortete der BGH ganz eindeutig mit „Nein“:

„Ob hier zum Zeitpunkt der Beratung im März 2008 bei dem Fonds bereits konkrete Anhaltspunkte für eine bevorstehende Aussetzung der Anteilsrücknahme vorgelegen haben, ist für das Bestehen dieser Aufklärungspflicht ohne Bedeutung, da es für die Entscheidung des Anlegers auch ohne solche konkreten Anhaltspunkte von wesentlicher Bedeutung sein kann, dass er dieses Risiko während der gesamten Investitionsphase übernimmt. Dementsprechend ist es für die Beantwortung der Frage, ob die Bank den Anleger über dieses Risiko aufklären muss, – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – unerheblich, ob bis zum Ausbruch der Finanzkrise im Oktober 2008 insoweit ein fernliegendes oder gar ein nur theoretisches Risiko (so auch OLG Schleswig, WM 2013, 2258, 2262; vgl. auch Stumpf/Kotte, BB 2013, 1613, 1617; Thume/Edelmann, WuB I G 5.- 3.13) bestanden hat.“

 

Betroffene Anleger haben damit in vielen Fällen einen Schadensersatzanspruch

Sofern auch Sie nicht über das Aussetzungsrisiko Ihres Offenen Immobilienfonds durch die Bank aufgeklärt wurden, sollten Sie prüfen lassen, ob Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können. Ziel eines solchen Schadensersatzanspruches ist die Rückabwicklung des Geschäftes, sodass Sie im Erfolgsfalle ihr eingesetztes Kapital vollständig zurückerhalten. Die Aussetzung aufgrund von Liquiditätsengpässen mussten ab dem Jahre 2005 viele Anleger über sich „ergehen“ lassen. So wurden etwa Fonds des Anbieters „KanAm grundinvest fonds“, der Fonds CS Euroreal oder der Fonds „Morgan Stanley P2 Value“ ausgesetzt. Nach unseren Schätzungen dürften hunderttausende Anleger betroffen sein. Das Handelsblatt schätzt in seinem Artikel „Banken müssen bei Immobilienfonds besser aufklären“ vom 29.04.2014, dass etwa 15,7 Milliarden an Kundengeldern derzeit „eingefroren“ sind.

 

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Aufklärungspflicht über Schließungsrisiko

 

Ansprechpartner: RA Christoph R. SchwarzRA Christian Mertsch